Die blutige und unpopuläre Besetzung Afghanistans wirft überall auf der Welt Fragen von enormer Bedeutung auf. Was ist dieser scheinbar endlose Krieg, der seit kurzem der längste Krieg in der US-Geschichte ist? Und warum wird er unter Missachtung der öffentlichen Meinung sowohl in Afghanistan als auch in den nominell demokratischen NATO-Ländern fortgeführt?
Das deutsche Magazin Der Spiegel hat vor kurzem einen Artikel des Essayisten Dirk Kurbjuweit mit der Überschrift "Die Zähmung der Bestie. Über das schwierige Verhältnis von Demokratie und Krieg" veröffentlicht, der sich mit diesen Fragen beschäftigt. Er stellt fest, dass zwei Drittel der deutschen Bevölkerung den Krieg ablehnt, speziell nach dem Bombenabwurf von Kunduz, bei dem der deutsche Oberts Georg Klein einen Fliegerangriff anforderte, durch den 142 afghanische Zivilisten getötet wurden.
Die zutiefst reaktionären Schlussfolgerungen des Artikels werden von allen europäischen Regierungen geteilt, die an der NATO-Besetzung beteiligt sind.
Es ist im Wesentlichen ein Manifest für den Krieg, verknüpft mit einer fatalistischen Art von Chauvinismus. Wenn man die zynischen Zweideutigkeiten weglässt, dann lautet die Argumentation des Spiegels, dass der Krieg in Afghanistan so wichtig für die strategischen Interessen des deutschen Kapitalismus ist, dass er unter Missachtung der öffentlichen Meinung weitergeführt werden muss. Das wichtigste Hindernis, mit der eine solche Politik konfrontiert ist - der Widerstand in der Bevölkerung gegen Krieg, der aus den Erfahrungen mit dem Nazi-Faschismus und dem zweiten Weltkrieg herrührt - muss überwunden werden. Mit den Worten des Spiegels wurden diese Gefühle "von der Realität überholt".
Da er sich bewusst ist, dass sein Standpunkt in höchstem Maße unpopulär ist, beginnt Der Spiegel mit diversen verlogenen Entschuldigungen für den Krieg in Afghanistan. Er schreibt: "Was den Beginn angeht, ist dieser Krieg gut begründet", und erklärt: "Wirtschaftliche Gründe spielten damals keine Rolle. Es ging nicht um das Lithium, das es in der afghanischen Erde geben soll. Es ging um den Kampf gegen den Terror."
Bezeichnenderweise wiederholt Der Spiegel alte Lügen, an die er selber schon nicht mehr glaubt.
Tatsächlich erklärt er später, Behauptungen, die Besetzung Afghanistans sei Teil des "Kriegs gegen den Terror" seien "brüchig geworden". Er stellt fest: "Niemand weiß, ob man Osama Bin Ladens dort habhaft werden kann. […] Wenn das gelänge und Afghanistan völlig von seinen Anhängern gesäubert würde, dann ist "der kriegerische Islamismus [...] beweglich genug, um sich andernorts Basen zu schaffen, in Pakistan oder im Jemen."
Das heißt, dass die Besetzung Afghanistans nichts dazu beigetragen hat, die Welt vor Al-Qaida zu schützen. Wenn dem so ist, warum dann mit der Behauptung hausieren gehen, die Invasion sei Teil "des Kampfs gegen den Terror" gewesen?
Der Spiegel erwähnt das Lithium, um einen Strohmann aufzubauen - niemand behauptet, im Krieg in Afghanistan ginge es nur um dieses chemische Element. Der Spiegel führt das Lithium an, um stillschweigend zu unterstellen, dass "wirtschaftliche Gründe" und die Verfolgung strategischer Vorteile in Asien bei diesem Krieg keine Rolle gespielt hätten.
Das ist ganz einfach lächerlich: Afghanistans Reichtum an Bodenschätzen, die Möglichkeit dort Energie-Pipelines zu verlegen und seine strategische Lage für Militärbasen waren Washington durchaus bekannt, als es einmarschierte.
Der Spiegel erklärt nicht einmal, warum er Lithum erwähnt - ein Element, das häufig für Laptop-Batterien und andere elektronische Geräte benutzt wird. Lithium wurde jedoch kürzlich in einem Artikel der New York Times aufgeführt, der aufdeckte, dass das US-Militär afghanische Bodenschätze im Wert von einer Billion Dollar an ausgewählte Bergbau-Gesellschaften versteigern wird. Die USA beabsichtigen zu verhindern, dass diese Bodenschätze in die Hände von chinesischen Firmen geraten, da China einer der weltgrößten Hersteller von Elektronik-Artikeln ist.
Der Spiegel versucht dann einen humanitären Appell für den Krieg zu lancieren: Die Besetzung durch die NATO sei der einzige Weg, damit afghanische Arbeiter sicher an ihren Arbeitsplatz und afghanische Mädchen in die Schule gelangen. Mit Bezug auf die von den Deutschen besetzte Zone in Afghanistan schreibt er: "In Kunduz, Masar-i-Scharif und anderswo gibt es einen normalen, nicht-kriegerischen Alltag. Die Leute gehen ihrer Arbeit nach, Mädchen können Schulen besuchen. Die Nachrichten von getöteten Soldaten verdecken, dass es diesen Alltag gibt. Er ist auch ein Erfolg der Bundeswehr."
Das ist der Versuch, eine emotional manipulative Lüge zu fabrizieren. Für die Menschen in Kunduz gibt es keinen "normalen, nicht-kriegerischen Alltag". Der Spiegel räumte schließlich nur einige Absätze vorher ein, dass Oberst Kleins Luftangriff 142 Menschen in diesem Gebiet getötet hat.
Die Behauptung, die NATO kämpfe für die Schulbildung von Mädchen wird von jeder Überprüfung der NATO-Aktivitäten in Afghanistan Lügen gestraft. So unterstützten sie die traditionalistischen antisowjetischen Mudschaheddin in den 1980er Jahren, danach die Taliban, die mit der Unterstützung der USA und Pakistans in den 1990er Jahren weitgehend das Land beherrschten, und heute werden lokale Stammesfürsten von den NATO-Truppen unterstützt, die mit Mädchenförderung oder Frauenrechten herzlich wenig am Hut haben.
Der Spiegel wendet sich als nächstes den Opfern zu, die das deutsche Volk seiner Meinung nach für diesen Krieg bringen soll. Die Deutschen müssten sich daran gewöhnen, für ihr Land zu sterben, beteuert er und schreibt: "Der Tod eines jungen Menschen ist immer eine Katastrophe. Die Frage ist, ob die Bundesrepublik manchen Bürgern diese Katastrophe zumuten darf. Die Antwort ist: ja."
Der Spiegel sieht die 43 bisher getöteten deutschen Soldaten als geringen Blutzoll für die Art von Politik, die Berlin verfolgen muss: "Das ist eine schrecklich hohe Zahl, aber auch eine unerwartet niedrige. Welche Nation war schon einmal acht Jahre lang in einen Krieg verwickelt, ohne Tausende oder Hunderttausende Tote betrauern zu müssen? Mit Toten Rechnungen anzustellen wirkt immer zynisch, aber man kann wirklich nicht sagen, dass dieser Krieg einen wahnsinnig hohen Blutzoll fordert."
Der Artikel wirft folgendes Problem auf: Wenn der Staat das Töten in großem Umfang beginnt, dann besteht die Gefahr, dass eine massenhafte Antikriegsstimmung es unmöglich macht, eine Mehrheit für die Politik der Regierung zu bekommen. Der Spiegel schreibt: "Die Mehrheit der Deutschen hat kein leidenschaftliches Verhältnis zur Demokratie und zum Staat". Aber Pathos ist notwendig, denn "der Tod ist nur mit Pathos halbwegs zu ertragen. Gerade wenn ein jüngerer Mensch stirbt, muss ein höherer Sinn her, sonst gibt es keinen Trost."
Der Spiegel zieht die Schlussfolgerung, dass "der Pazifismus die Demokratie verraten" hat.
Diese außergewöhnliche Formulierung muss als Eingeständnis verstanden werden. Die kapitalistisch-demokratischen Staaten tragen Kriege als systemimmanenten Bestandteil auf ihrer Agenda. Diese Ausführung beweist, dass es immer schwieriger wird, die Fassade des „friedliebenden Westen“ aufrechtzuerhalten. Es bedeutet nicht weniger als dass Frieden und Demokratie Antagonisten sind und die öffentliche Meinung in dieser Angelegenheit übergangen werden muss.
Das Magazin bringt mehrere Argumente, die diese Haltung unterstützen. Als erstes stellt es die Behauptung auf, Demokratie bedeute das Funktionieren der Staatsmaschine, wobei diese die öffentliche Meinung ignoriert.
Es schreibt: "Angeblich ist der Krieg in Afghanistan schlecht legitimiert, weil zwei Drittel der Bundesbürger dagegen sind. Das aber ist der größte Irrtum in dieser Debatte. Deutschland hat eine repräsentative Demokratie. Die Politiker stellen sich den Bürgern alle vier Jahre zur Wahl. In der Zwischenzeit haben sie im Rahmen des Grundgesetzes und der Gesetze freie Hand."
Eine solche Formulierung ist ein Zeugnis dafür, dass das Volk in demokratisch-kapitalistischen Staaten keine Regierungsgewalt besitzt. Die Wahlen sind nicht mehr als ein Ermächtigungsgesetz - eine juristische Formalität, die, wenn sie ausgeführt wurde, der Regierung das Recht gibt, zu tun, was immer ihr beliebt.
Wie allgemein bekannt ist, unterstützen die traditionellen deutschen Regierungsparteien - die regierende konservative Christlich Demokratische Union (CDU) und ihre ehemaligen Koalitionspartner, die sozialdemokratische Partei (SPD) und die Grünen (sie haben Deutschlands Kriegsbeteiligung 1999 ermöglicht, als Kanzler Gerhard Schröder an der Macht war) - den Krieg, trotz der Ablehnung der Bevölkerung. Die Regierung hat "freie Hand", ihre unpopuläre Kriegspolitik durchzusetzen, Wahlen hin oder her.
Noch überraschender ist das Argument des Spiegels, die deutsche Öffentlichkeit müsse lernen, ihre Haltung gegenüber den Nazis zu überdenken. Das Magazin beklagt: "Wer jedoch sagen würde, es sei vertretbar, dass deutsche Soldaten ihr Leben für die Staatsräson der Bundesrepublik geben, löste damit viel Unbehagen aus." Das Magazin stellt fest, dieses Gefühl "hat auch mit der deutschen Vergangenheit zu tun. Die Nazis schickten Millionen Deutsche in den Tod, der dann als Opfertod gefeiert wurde."
Der Spiegel hält solch anti-militaristischen Gefühle für veraltet und schreibt: "Nie wieder Krieg - dieser bundesrepublikanische Satz ist eine naheliegende Konsequenz der Geschichte Deutschlands. Doch dieser Satz wurde von der Realität eingeholt. Die Bundesrepublik ist seit acht Jahren in einen Krieg verwickelt."
Im Grunde stellt sich die Haltung des Magazins folgendermaßen dar: da die Politik der Regierung es erforderlich machen wird, dass viele Bundesbürger töten müssen oder getötet werden müssen, muss die Opposition im Volk gegen das Massentöten überwunden werden. Für den Spiegel heißt die neue Einsicht über den Nazi-Faschismus: Kommt drüber weg!
Am Ende des Artikels taucht plötzlich eine neue und wichtige Rechtfertigung für den Krieg in Afghanistan auf. Für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, schreibt Der Spiegel, "gehört der Schutz der Bürger [...] zu ihren wichtigsten Aufgaben". Und er fährt fort: "Aber er [der Politiker] muss auch die Weltlage berücksichtigen, die deutschen Interessen und das Verhältnis zu den Verbündeten, in diesem Fall vor allem zu den Vereinigten Staaten. Er kann dann zu dem Schluss kommen, dass 43 tote Deutsche der Preis sind, den die Bundesrepublik zu zahlen hat, vielleicht auch 100 oder 200."
Der Artikel erklärt nicht, was mit "deutschen Interessen" gemeint ist. Es ist jedoch kein Zufall, dass der Spiegel zu einer Zeit für den Militarismus wirbt, in der eine europäische Finanzkrise droht, in dessen Folge der Euro seinen Anspruch als internationale Leitwährung verliert. Deutschland könnte als Superexport-Nation zum großen Verlierer beim Scheitern der Währungsunion werden.
Da der deutsche Staat in jüngster Zeit immer öfter mit ökonomischen Problemen konfrontiert ist, die binnenpolitisch nicht lösbar erscheinen, gerät die militärische Gewalt ins Blickfeld der Medien und der Vertreter des Staates.
In einer der wenigen aufrichtigen Absätze des Artikels erklärt Der Spiegel, dass Deutschland Osteuropa kontrollieren müsse, eines der wichtigsten Billiglohn-Reservoirs der deutschen Industrie. Er schreibt über Bosnien und den Kosovo: "Beide Länder gehören zu Europa, und Europa darf es nicht zulassen, dass Zivilisation und Zivilität von den Rändern her ausfransen." Er fügt hinzu: "Hier verbinden sich ein moralisches und ein geopolitisches Argument. Wenn es anders nicht geht, wird die Bundeswehr noch hundert Jahre dort bleiben."
Diese Formel ist das neue Motto des deutschen Kolonialismus: Moral plus Geopolitik ist gleich 100 Jahre militärische Besatzung. Dass eine solche Politik von einem führenden Presseorgan nur 65 Jahre nach dem Ende der Nazi-Besetzung von großen Teilen Europas vorgeschlagen werden kann, ist ein vernichtendes Urteil über den politischen und moralischen Zustand des europäischen Kapitalismus.
Diese neue Art der Rhetorik in den Medien und in der Politik ist die Stimme des neuen Deutschlands. Es ist die Sprache einer Nation, die versucht endgültig aus ihrer weltpolitischen Paralyse auszubrechen.
Deutschland hat aus seiner Vergangenheit nur gelernt, dass es nie wieder „mein Kampf“ heißen darf. In einer Demokratie muss es einfach „unser Kampf“ genannt werden!
Sumber : http://www.die-einheit.org
Untuk yang tidak mengerti bahasa Jerman di Translator.
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